Werbefreie Innenstädte.

Genf plant das Verbot kommerzieller Außenwerbung. Warum das nicht nur aus Sicht von Kommunikationsleuten eine schlechte Idee ist.

Die größten Billboards der Welt mit digitaler Kunst bespielen. Porsche und Galerie König.

Text: Lisa Maria Kunst


Freie Plakatflächen, die Bürger selbst gestalten können. Eine Utopie, die in Genf ab 2025 Wirklichkeit werden soll. Außenflächen, die in städtischer Hand sind, sollen ab dann nicht mehr kommerziell bespielt werden dürfen. Lediglich Kultur findet dort ihren Platz. Im ersten Moment klingt das interessant.

Aber wer entscheidet eigentlich, was Kultur ist und was nicht? Wir reden hier nicht nur von klassischer Markenkommunikation als zeitgeistigem Kulturgut. Als Ausdruck von Ästhetik der jeweiligen Zeit. Wir reden von solchen Kampagnen, die an der Grenze zwischen Kunst und kommerzieller Kommunikation verlaufen. Porsche und die Galerie König haben sich kürzlich genau zu solch einer Kollaboration zusammengetan. Unter dem Titel „Global Gallery“ zeigten sie digitale Kunst auf den großen Billboards dieser Welt. Vom Timessquare in New York über Shanghai, Tokyo, Seoul, Madrid bis zum Berliner Potsdamer Platz hat Porsche Flächen angemietet, auf denen von Oktober bis Anfang Dezember digitale Kunst lief. Andy Picci, Jonas Lund, Banz & Bowinkel, Manuel Rossner oder Nicole Ruggiero sind einige der an der Aktion beteiligten Künstler. Sie zeigten ihre Arbeiten so in einer Art globaler, durch die Galerie kuratierten Ausstellung und machten sie damit einem größtmöglichen Publikum frei zugänglich.

Die enorme Bedeutung des öffentlichen Raums hat in pandemischen Zeiten noch zugenommen.

Hier mit digitaler Kunst von Manuel Rossner

Den Plänen nach wäre so etwas in Genf bald vielleicht nicht mehr möglich. Wollen wir wirklich von einer städtischen Kommission abwägen lassen, was im Einzelfall Kultur ist? Ob bei genannter Aktion das kommerzielle Interesse des Automobilherstellers überwiegt? Oder ob beispielsweise ein stadionfüllendes Konzert einen kulturellen Anspruch erfüllt?

Und was ist überhaupt mit politischer Kommunikation? Davon ist nirgendwo die Rede.

Die enorme Bedeutung des öffentlichen Raums hat in pandemischen Zeiten noch zugenommen. Vor allem aber in digitalen. Eine Besonderheit digitaler Kommunikation ist es, passgenau und auf Zielgruppen spezialisiert ausgespielt zu werden. Individuell abgestimmte Kommunikation, die die eigene Blase befeuert.

Klassische Außenwerbung kann den Gegenpol dazu darstellen und die Möglichkeit Menschen zu verbinden. Oder einen Diskurs mit unterschiedlichen Positionen in Gang setzen. So, wie die Bennetton Plakate von Oliviero Toscani aus den 1990ern. Der Fotograf hat mit seiner Kampagne, in denen er Aidskranke ablichtete oder blutverschmierte Kleidung eines Sodaten aus dem Bosnienkrieg, bewusst schockiert. „Darf eine Marke mit dem Leid von Menschen werben?“ war nur eine von vielen Fragen, die sich die Öffentlichkeit damals stellte. Konsens stand nicht im Fokus, wohl aber eine gemeinsam und öffentlich geführte Debatte.

Aus den 1950er Jahren stammt ein anderes Phänomen, was die verbindenden Elemente, die Aussenwerbung herzustellen vermag, verdeutlicht. Der Osbourne Stier. Ursprünglich wurde das Symbol von dem Künstler Manolo Prieto für die zur Osbourne Gruppe zugehörige Brandymarke Veterano entworfen. Das Symbol stand bald schon für viel mehr als für den Brandy – es wurde zum Zeichen für ein ganzes Land. Dem Nationalsymbol Spaniens. Aber auch der Stier war ab Ende der 80er Jahre einem Werbeverbot an Landstraßen unterworfen, was Proteste und hier und da kommunales Engagement für den Stier mitbrachte. Heute ist er gar zu einem politischen Symbol geworden. Was nicht heißt, dass sich dahinter alle versammeln. Wohl aber, dass es alle zu Lesen verstehen.

Außenwerbung olè: Der Brandy-Stier als Nationalsymbol

Kann auch brav: Aktuelle Benetton Kampagne von Oliviero Toscani

Doch Zurück nach Genf: Der hoch verschuldeten Stadt entgehen durch das Verbot Einnahmen in Höhe von 4 Millionen Euro. Davon könnte man auch einen Teil in die Förderung von Kultur und Subkultur stecken. Oder in die Gestaltung des öffentlichen Raums. Denn nur durch die Verbannung kommerzieller Kommunikation ist eine Stadt für seine Bürger nicht automatisch lebenswerter.

Wir Kommunikationsleute sollten den Genfer Vorstoß als Wink mit dem Zaunpfahl erkennen. Und die Verantwortung wahrnehmen, die auch wir für Städte haben. Vor allem aber sollten wir die Möglichkeiten sehen, die in dieser Form der Kommunikation stecken.

 
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