Renaissance in der Architektur

Über die Herausforderung, ein Gebäude von 1886 ohne Komplett­abriss in die Neuzeit zu holen. Ein Interview mit Architekt Mathias Löhr.

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Interview BRITT WANDHÖFER

Wie würdest du das Projekt Flora & Fauna in drei Sätzen beschreiben
Mathias Löhr:
Das Projekt „Flora & Fauna“ ist wie ein Jungbrunnen für eine charmante, cha­raktervolle ältere Dame. Nachdem wir sie im wahrsten Sinne würdevoll durchs Wasser ge­bracht haben – wir hatten während der Bauzeit mit einigen Wasserproblemen zu kämpfen – wird sie als strahlende junge Dame mit aus­ gewählten Schmuckstücken, also einigen Versatzstücken aus ihrer Vergangenheit be­ setzt, dem Brunnen entsteigen. Zukünftig wird sie sicherlich ein Ort der Inspiration sein, an dem noch viele innovative und kreative Ideen ihren Ursprung nehmen werden. Davon bin ich überzeugt.

Was waren die größten Herausforderungen?
Bei einem Projekt dieser Größenordnung, inmit­ten einer so dichten Nachbarschaft, ist es immer eine große Belastung für die umliegenden An­wohner. Da bleiben schon mal Beschwerden oder Beeinträchtigungen an angrenzenden Ge­bäudeteilen nicht aus. Es war wie die Operation am offenen Herzen. So muss von außen be­ trachtet die Baustelle auch zeitweilig ausgese­hen haben. Ich habe das Projekt, mitten während der Rohbauphase, von einer Archi­tekten­Kollegin übernommen. Sie hat die ers­ten Jahre von 2015 bis Anfang 2018 das Projekt gemeinsam mit und für die Bauherren beglei­tet. Erst mit Beginn der Öffnung verschiedener Flachdachbereiche und der Aufstockung des zweiten Obergeschosses bin ich im Mai letzten Jahres in das Projekt eingestiegen. Die Heraus­forderung bestand darin, innerhalb kurzer Zeit das gesamte Projekt, mit seiner umfangreichen baulichen Vorgeschichte, in all seinen Facetten zu verstehen, um dann möglichst nahtlos und ohne Unterbrechung den Bauablauf fortzuset­zen. Ein großes Problem bestand darin, dass die Zuwegung in den Hinterhofbereich sehr klein ist und dass es wenig Lagerflächen gibt. Somit war es auch für die ausführenden Fir­ men eine logistische Herausforderung, ihre zu verbauenden Materialien an und auf die Bau­ stelle zu schaffen.

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Wo liegt für dich beruflich der Reiz, so ein besonderes Projekt zu leiten?
Bauen im Bestand ist immer eine reizvolle Angelegenheit. Einen Neubau auf eine grüne Wie­se zu setzen, erfordert nicht allzu viel Geschick. Erst die vielen Randbedingungen und Vorga­ben durch die unmittelbare Umgebung, die häufig auch ein spontanes Umplanen und Um­ denken erfordern, machen das Bauen so rich­tig kreativ und spannend.

Wie habt ihr es geschafft, den alten Charme des Gebäudes zu erhalten?
Durch die Idee, die ursprünglich komplett ge­schlossene Hinterhofdachlandschaft zentral zu öffnen, entstand so ein neugeschaffenes Atri­um, das viel Tageslicht in die Tiefe der umlie­genden Räume bringt. Durch diesen „Kniff“ werden zwei Fliegen mit einer Klappe geschla­gen: Zum einen das zuvor erwähnte Tageslicht, welches das Arbeiten in den sehr großen das Atrium umfließenden Räumen hereinholt, und zum anderen bietet das Atrium selbst die Mög­lichkeit, eine kleine grüne Lunge zu schaffen, die dem Leitmotiv „Flora und Fauna“ weiter kreativen Spielraum gibt.

Kann man so ein Projekt genau planen oder muss man damit rechnen, dass immer wieder Dinge passieren, mit denen man vorher nicht gerechnet hat?
Ich kann nur für den Teil meiner bisherigen etwa zehnmonatigen Tätigkeit sprechen. Das Grundgerüst, welches den bauaufsichtlichen Vorgaben nachkommen muss, sowie die Aus­arbeitung der Leitidee zum Thema „Flora & Fauna“, welche gemeinsam in einem Work­ shop bei Vitradesign in Weil am Rhein mit ei­ nem Stab von Mitarbeitern von Kunst und Kol­legen sowie exquisiten Kreativköpfen von citizenoffice aus Düsseldorf entstanden ist, bedurfte einer grundlegenden Planung. Den­ noch wich man von der klaren Leistungspha­sentrennung ab, sodass bis heute in Teilberei­chen die Ausführungsplanung noch nicht abgeschlossen ist, obwohl das Gebäude zu weiten Teilen bereits fertiggestellt ist. Es verfes­tigten und veränderten sich verschiedene Ide­en während der Bauzeit, sodass der planeri­sche Prozess immer parallel zur Ausführung weitergeführt wurde. Weiterhin birgt das schichtweise Freilegen der vorhandenen Sub­ stanz immer wieder Überraschungen, die stets ein flexibles Reagieren und Umdenken erfor­dern.

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Nachdem gerade in Düsseldorf sehr viel abgerissen und neu gebaut wird, was bedeutet so eine „Reinkarnation“ für dich als Architekt?
Natürlich ist es toll, sich in einer Stadt mit ei­ nem Neubau eventuell ein Zeichen oder gar ein Denkmal für die nächsten Jahrzehnte set­ zen zu können. Auf der anderen Seite ist es auch sehr befriedigend, ein wirklich altes Ge­bäude mit Charakter, das bereits mehr als ein Jahrhundert hinter sich hat, durch ein paar geschickte Umbauten so einer neuen und viel­ leicht auch zukunftsweisenden Nutzung zuzuführen. Das innerstädtische Bauen im Bestand unter Beibehaltung erhaltenswerter Substan­zen und das Verbinden mit Neuem, darin wird auch in Zukunft die Herausforderung für eine sinnvolle Stadtplanung für unsere Innenstädte bestehen.

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