Pannen, Musik und Überraschungen – Sechs Learnings für digitale Veranstaltungen

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Konferenzen, Summits, gestreamte Performances und Konzerte, ganze Festivals oder Barcamps. Das alles findet digital statt. Und während die Ermüdungserscheinungen gegenüber Videokonferenzen sich unter dem Begriff „Zoom-Fatigue“ versammeln, gibt es auf der anderen Seite immer wieder Neues zu entdecken. Zeit, für eine Zusammenfassung.

So unterschiedliche Veranstaltungsformate es auch gibt, so unterschiedlich sind auch die Intentionen, mit denen sie ausgerichtet werden. Was es vielleicht schwer macht, sie zu vergleichen. Was sie eint ist, dass durch diese Formate versucht wird, Menschen zu binden, Austausch zu ermöglichen und zu inspirieren. Ob es sich um eine Konferenz handelt oder Konzerte, für die man sich ein Ticket kauft. Ob es sich um einen einstündigen Expertenaustausch zu einem festgelegten Thema handelt oder um eine Marke, die sich durch eine eigene ganztägige Veranstaltung positioniert.

Eines der häufigeren Formate gleicht einer TV-Sendung: Es gibt eine Moderation und mehrere Beiträge von Sprechern. Diese sind zumeist zugeschaltet. Am Schreibtisch sitzend und in die Kamera sprechend. Was überhaupt nicht verkehrt ist. Denn mal wieder wird deutlich, dass es die Inhalte sind, auf die es ankommt. Und doch sind das einfach nicht die Veranstaltungen, die hängen bleiben. Da ist für den ganzen Tag Programm geplant, der eigene Beitrag ist eher passiv. Wie früher beim Fernsehen. Aber auch das hat man sich selten einen ganzen Tag gegeben. Womit wir bei Learning 1 wären:

1. Shorten your programme.
Eine ganztägige Designkonferenz lässt sich digital nicht 1:1 umsetzten. Geschweige denn eine mehrtägige. Kürzungen des zeitlichen Rahmens um ungefähr die Hälfte sind sinnvoll.

2. Auswahl, Aktion und Austausch
a. Teilnehmer aktiv Inhalte auswählen lassen
b. Teilnehmerbeiträge ermöglichen
c. Plattform für Austausch bieten

Gerade wenn man sich bewusst macht, zu welchem Zweck man Konferenzen besucht und wie wichtig der Teil des Austauschs dabei ist, macht klar, dass es bei Konferenzen auch einen aktiven Teil braucht.

Einen zu dem man einen Beitrag leisten kann. Sei es durch Umfragen, Zusammentreffen in Breakoutsessions oder im Zweifel einen gut geführten Chat. Nutzer sind es gewohnt, aktiv teilzuhaben. Schon bei Live-Events vor Corona-Zeiten haben sich digitale Umfragetools etabliert. Und das, obwohl man damals noch ganz einfach mit dem Nachbarn quatschen konnte, solange der Soundcheck noch zugange war. Irgendeinen aktiven Part sollte man dem Publikum also zugestehen. Denn die dadurch erhöhten Aufmerksamkeitswerte sind pures Gold in Zeiten, in denen der Hinterausgang der Veranstaltungslocation nur einen Klick entfernt ist.

Eines der überhaupt aktivsten Eventformate ist das Barcamp. Hier geht es um Erfahrungsaustausch zu selbst gewählten Themen. Die dazu stattfindenden Sessions finden parallel statt und können von Teilnehmern je nach Interesse laufend gewechselt werden. Die Teilnehmer, die diese Sessions gestalten, sind Publikum und Speaker gleichermaßen. Diesen Anforderungen digital gerecht zu werden schien nahezu unmöglich. Das Agenturcamp hat vorgemacht, wie dieser Spagat klappen kann. Die ersten Treffen fanden noch via Zoom statt. Das Sessionboard an der einen Stelle, hier dann die unterschiedlichen Zoomlinks. Die Inhalte und der große Wunsch nach Austausch machten die Sessions extrem wertvoll. Aber die technische Seite war alles andere als convenient. Im letzten Agenturcamp wurde dann das Agenturland via gather aufgebaut. Über das Tool kann man, im 90er Jahre Jump’n’Run Look, zwischen gleichzeitig stattfindenden Konversationen hin und herlaufen. Oder sich draußen am Tisch einfach zu jemandem Stellen und quatschen. Fast wie IRL. Und doch soll es an dieser Stelle nicht um technische Tools gehen. Zugegebenermaßen waren auch wir zunächst ein wenig skeptisch: Der zu gestaltende Avatar, der rumrennt in einer bunten Pixelwelt, erscheint doch sehr verspielt. Lenkt das nicht ab von Ziel und Inhalt? Nein. Das Verhalten auf der Konferenz ist sehr intuitiv und angelehnt an Veranstaltungen im echten Leben. Man kann jederzeit Räume und Themen wechseln. Aktivitätslevel top. Man kann einfach jederzeit in einen Menschen und eine spannende Konversation laufen. Und damit sind auch die Werte auf der Skala „Überraschung“ top, was uns zu Learning Nummer drei bringt.

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3. „Das Unvorhersehbare bringt Inspiration“
Das Zitat stammt von Doris Dörrie, die im Zeit Wissen Podcast über ihre Schreibwerkstatt sprach. In vor-pandemischen Zeiten riet sie ihren Schülern, sich im Hofbräuhaus an einen Tisch mit Fremden zu setzen, sich mit ihnen auszutauschen und darüber später zu schreiben. Das sinnlose Herumsitzen in Kneipen, so Dörrie, bietet die Möglichkeit der Überraschung, der Schönheit und Aufregung.

Genau das was uns fehlt im durchgetakteten Arbeitsalltag, in dem wir von einer Videokonferenz zur nächsten hoppen. Es ist derzeit kein Platz für Zufälle und Überraschungen. Aber genau die inspirieren uns oft.

Eine digitale Veranstaltung, die aus vielerlei Gründen interessant war, war die kürzliche Album-Veröffentlichung des Musikers Danger Dan „Die große Welttournee durchs Internet.“. Das alles fand statt als Schnitzeljagd durch Instagram. Je 10 Minuten besuchte er eine andere Band, einen Musiker oder Autor Benjamin von Stuckrad-Barre auf dessen Profil in einer Instagram Live Session. Dort spielte er je ein Lied des neuen Albums und verwies am Ende der zehn Minuten auf den nächsten Gastgeber. Das Publikum begab sich mit auf eine Reise voller Überraschungen. (Zwischendurch im Chat: „Cro ist auch hier.“ „Wird er wohl die nächste Station?“ Nachtrag: Nein, war er nicht.) Durch das Springen von Profil zu Profil, war man irgendwie zumindest alle zehn Minuten mal aktiv und durch den Chat, der haufenweise Goodvibes und Applaus nach oben spülte, hatte man sogar das Gefühl eines kollektiven Konzerterlebnisses. Nun mag man erwidern, dass es sich hier um eine reine Unterhaltungsshow handelt, aber hey – ist es nicht das, womit wir uns bei vielen digitalen Inhalten auch messen lassen müssen? Den Verkauf des Albums scheint die Veranstaltung jedenfalls ordentlich befeuert zu haben – der Onlineshop des Plattenlabels Antilopengeldwäsche brach zwischenzeitlich zusammen.

Zugegeben:
4. Mit Musik lassen sich Herzen erreichen.
Ein Konzept, das bei Live Konferenzen durchaus nicht neu ist, hat sich im Digitalen noch nicht durchgesetzt. Gerade jetzt wäre die Buchung von Musicacts zur Unterstützung von Online-Events sicherlich nicht nur für das Publikum eine Freude. 

Die Veranstaltung zum Album Release erschien übrigens erfrischend handgestrickt mit kleinsten Boardmitteln und gespickt mit technischen Pannen. So rief die Mutter des Künstlers an, um ihm zu sagen, wie toll sie die Show fände und crashte damit ebendiese. Gut – eine verdammt charmante Anekdote. Aber genau das sind Pannen recht oft.

5. Pannen als Charmeoffensive
Es gab die kleinen Tücken, Rückkopplungen und Soundecho, schlechte Verbindungen und all das was wir aus den Meetings mit Kollegen kennen. Was im kleinen Kreis nur noch Potenzial für Videokonferenz-Bullshit-Bingo liefert „Du bist eingefroren.“ „Bitte schalte Dich mal stumm.“, etc. wirkt auf der großen Bühne ziemlich sympathisch. Pannen sind einfach überhaupt nicht schlimm! Denn was wünschen wir uns gerade mehr als ein wenig Nahbarkeit?

Während Videokonferenzen aus dem Arbeitsalltag nicht mehr wegzudenken sind, sind digitale Veranstaltungen doch immer noch eher Mittel zum Zweck. Was sie aber spannend macht, ist der Pioniergeist dahinter. Nie konnten wir so viel ausprobieren, wurden Fehler so einfach verziehen. We are in this together. Wir alle vermissen die echten Bühnen, den echten Applaus und mindestens eine Zugabe. Aber auch digitale Events können richtig viel Spaß machen. Wenn wir experimentierfreudig bleiben und das alles und vor allem uns selbst nicht immer bierernst nehmen. Was uns zum letzten Learning und Schlusswort führt: 

6. Have fun.

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